Rezension – Die Frau an der Schreibmaschine

Die Frau an der Schreibmaschine von Suzanne Rindell

Klappentext:
Sie ist eine einfache Schreibkraft. Doch sie
hat alle in der Hand …
Mit ein paar Anschlägen auf ihrer Schreibmaschine kann sie jemanden lebenslang ins Gefängnis befördern. Rose Baker arbeitet als Stenotypistin im New York City Police Department. Geständnisse zählen zu ihrem Alltag. Es ist das Jahr 1923. Und wenngleich Rose grausame Details über Messerstechereien und Morde protokolliert – sobald sie den Verhörraum verlässt, zählt sie wieder zum schwachen Geschlecht. Doch die Zeiten ändern sich. Die Frauen auf New Yorks Straßen tragen Bob, trinken Alkohol. Die prüde Rose allerdings hängt am Bild der fürsorglichen Frau. Und an dem charmanten Seargent, den sie heimlich anhimmelt. Bis eines Tages eine neue Kollegin kommt: die glamouröse Odalie. Sie entführt Rose in die Nachtclubs der Stadt. Rose ist schockiert – und ebenso fasziniert. Aus Faszination wird Obsession. Und dann gibt es einen mysteriösen Todesfall …

Genre: Thriller, Suspense, Historische Fiktion

Cover

Da ich zu den Coverkäufern zähle, beschäftige ich mich auch mit der Frage, ob mich Cover ansprechen würden und zum Kauf verleiten.

Farblich ist es mit gerade einer Farbe schlicht. Auch die Elemente sind minimalistisch und die Schrift geradlinig. Zum einen ist das in sich sehr stimmig zum anderen vermittelt es eine bestimmte Stimmung. Man sieht auf den ersten Blick, worum es in der Geschichte gehen soll. Die Farbwahl, oder besser der Mangel an Farbe und der schwarz-weiß-Effekt, wecken bei mir Assoziationen zu Zeitungen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die Frauenfigur, die ja schon durch ihre Frisur, das Make-up und die Perlen ein Gefühl dafür vermittelt, in welchem Zeitrahmen sich die Geschichte bewegt, erinnert an alte Schwarz-Weiß-Filme. Das Cover löst bei mir Emotionen aus, die ich mit der Zeit um 1920 und den Ereignissen dieser Epoche verbinde. Ich stelle mir schon vor dem ersten Blick ins Buch, das Straßenbild der damaligen Zeit vor und die Position der Frau in diesen Jahren. Dadurch ist das Cover in all seiner Schlichtheit hervorragend gewählt.

Inhalt

Rose Baker ist eine Singlefrau aus dem New York der Jahre um 1923. Die Prohibition lebt so richtig auf und die Damenwelt verändert sich unter den Bestrebungen der Suffragetten.
Rose arbeitet als Stenotypistin auf einem Polizeirevier, sieht sich selbst jedoch als klassische bescheidene Frau, die nichts mit den Ausschweifungen ihrer Geschlechtsgenossinnen zu tun hat, die sich die Haare kurz schneiden, rauchen und Alkohol trinken.
Als die Adrette Odalie, als Arbeitskollegin in ihre Leben tritt und sie in die Welt der Flüsterkneipen einführt, wird Rose von den Verlockungen verführt. Odalie wird zum neuen Mittelpunkt von Roses Interessen. Sie lässt sich von ihrer Freundin in ein verwirrendes Leben voller Lügen hineinziehen, die sich auch auf ihre Arbeit im Polizeirevier ausweiten. Wie weit kann sie noch in die geheimnisvolle Welt von Odalie vordringen, ohne davon verschlungen zu werden?

Gedanken beim Lesen

Diese Kritik hat nur am Rande etwas mit meinem Gesamturteil über das Buch zu tun. Es sind spontane Emotionen und Eindrücke.

Ich habe das Gefühl in einem alten Film zu stecken, während ich lese. Die Stimmung der 20er Jahre ist so herrlich eingefangen. Rose hält sich für unglaublich bieder und erzählt gerne von den weiblichen Tugenden, die ihr die Nonnen beigebracht haben. Dabei ist sie selbst eine ledige Frau (und auch nicht auf der Suche nach einem Mann) und geht einem Beruf nach, der nicht gerade für eine Dame geeignet ist. Natürlich ist sie keine Polizistin, sie hält sich gerade so am Rand der schwelle zur Emanzipation und lästert von dort aus über die Tugendlosigkeit der Frauen, die rauchen und sich die Haare kurz schneiden. Ich finde es überhaupt nicht verwunderlich, dass Odalie so ein leichtes Spiel mit ihr hat. Sie lechzt ja förmlich danach sich hinreißen zu lassen.

Sehr erheiternd finde ich die gelungenen Beschreibungen der Sittsamkeit. Die Badeanzüge zur damaligen Zeit waren tatsächlich noch das, was ihr Name verheißen lässt: ein Anzug. Solange die Wächter über die guten Sitten (damalige Rettungsschwimmer hatten offensichtlich mehr zu tun ^^) nicht hinguckten, hat man die Beine aufgerollt. Aus der heutigen Sicht erscheinen einem diese Vorschriften total merkwürdig.

Der arme Lieutenand Detektiv. Er gibt wirklich alles, aber an Rose gehen seine Annäherungsversuche so vollkommen vorbei. Sie denkt sogar, dass er sie ärgern will und sie überhaupt nicht leiden kann. Wunderbar subtil geschildert.

Rose kommt mir immer wieder vor, wie ein Soziopath. Sie betrachtet alles mit einer berechnenden Gefühlskälte, die mich irritiert. Und dabei ist sie so naiv.

Nach einer Kriminalgeschichte suche ich noch. Irgendwie habe ich mir nach dem Klappentext mehr Polizeiarbeit vorgestellt, aber das kommt eigentlich nicht so viel vor.

Résumé

Abgesehen von meinem Fazit, werde ich Punkte vergeben. Das wird allerdings anders aussehen, als gewöhnlich. Bei mir gibt es nämlich keine Sterne. Ich vergebe an meine Lektüre Federn und Tintenkleckse. Das Prinzip funktioniert ganz einfach. Für Aspekte, die mir besonders gut gefallen, gibt es eine Feder, für Schnitzer, über die ich nicht hinwegsehen kann, gibt es einen Klecks. So kann es durchaus passieren, dass ein Buch auch mal weder eine Feder noch einen Klecks bekommt.

Deshalb vergebe ich eine Feder, für die meisterliche Darstellung. Die Geschichte spielte sich in meinem Kopf ungemein plastisch ab, als würde ich einen Film sehen.

Eine weitere Feder vergebe ich für den Aufbau der komplexen psychologischen Entwicklung von Rose. Es war faszinierend ihrem Wandel  zu beobachten.

Was mir gar nicht gefallen hat, war das Ende. Es erschien mir zu abrupt und es war die einzige Stelle, an der ich Rose Gedanken nicht nachvollziehen konnte, als wäre ich plötzlich aus ihrem Kopf geflogen. Das war ungefähr so frustrierend, als wäre kurz vor Ende des Films der Fernseher ausgegangen.

Ich habe das Buch trotzdem sehr gerne gelesen, gerade aufgrund der wunderbaren Stimmung und emotionalen Stimmigkeit. Den Ausgang der Geschichte bewertet auch jeder anders. Manche mögen das Ende besonders gerne, weil sie es überraschend finden.

Es ist ein wunderbarer Roman über das Leben in den 20er Jahren. Er ist stimmungsvoll und spannend, auch wenn die Kriminalgeschichte, die ich erwartet habe, geringer ausfiel, als gedacht. Der Schreibstil trägt dazu bei, den Leser noch mehr in den Zeitgeist zu integrieren, da er wirklich gut mit den Gedankengängen der Hauptprotagonistin harmoniert.

Andere Rezensionen zu dem Buch findet ihr bei:
Die Tipperin

Paper and Poetry 
Die Buchrebellin

Gefunden habe ich das Buch durch die Empfehlung von Mel. Was sie zum Buch gesagt hat, das könnt ihr hier nachlesen.