Rezension – Das dunkle Herz des Waldes

Das dunkle Herz des Waldes von Naomi Novik

Klappentext: Agnieszka liebt das Tal, in dem sie lebt: das beschauliche Dorf und den silbern glänzenden Fluss. Doch jenseits des Flusses liegt der Dunkle Wald, ein Hort böser Macht, der seine Schatten auf das Dorf wirft. Einzig der »Drache«, ein Zauberer, kann diese Macht unter Kontrolle halten. Allerdings fordert er einen hohen Preis für seine Hilfe: Alle zehn Jahre wird ein junges Mädchen ausgewählt, das ihm bis zur nächsten Wahl dienen muss – ein Schicksal, das beinahe so schrecklich scheint wie dem bösen Wald zum Opfer zu fallen. Der Zeitpunkt der Wahl naht und alle wissen, wen der Drache aussuchen wird: Agnieszkas beste Freundin Kasia, die schön ist, anmutig, tapfer – alles, was Agnieszka nicht ist. Niemand kann ihre Freundin retten. Doch die Angst um Kasia ist unbegründet. Denn als der Drache kommt, wählt er nicht Kasia, sondern Agnieszka.

Genre: Fantasy

Cover

Da ich zu den Coverkäufern zähle, beschäftige ich mich auch mit der Frage, ob mich Cover ansprechen würden und zum Kauf verleiten.

Das Cover ist dunkel und grün, ganz wie es zu einem „dunklen Wald“ passt. Mir gefällt es dadurch sowohl farblich, als auch von der Stimmung her, sehr gut. Das Weiß im Hintergrund ist wie ein magisches Glühen. Das Einzige, was mich irritiert, ist die Dame im eleganten Gewandt. Der Hauptcharakter trägt entweder sehr einfach, grobe Kleidung oder schwere, bestickte Stoffe. Die Kleidung ist hier weniger auf Authentizität gemünzt, als darauf der Frau einen erhabenen Eindruck zu geben. Da sie im Buch allerdings meist schmutzig ist, passt das nur, so lange man Agnieszka noch nicht erlebt hat. In jedem Fall gefällt mir das Cover gut und hätte mich auf Anhieb im Ladenregal angesprochen.

Inhalt

Agnieszka ist ein einfaches Mädchen. Sie wächst in einem schlichten Dorf auf und hat keine hohen Ansprüche ans Leben. Obwohl die Menschen aus ihrem Dorf nahe an einem verhexten Wald leben, der allerlei böse Kreaturen ausspuckt und Menschen verschwinden lässt, um sich von ihnen zu ernähren, ziehen die Bewohner nicht weg. Ganz in der Nähe wohnt ein mächtiger Zauberer, der Drache genannt wird. Er hält die Albträume aus dem Wald so gut es geht von den Dörfern fern. Jedes Jahr verlangt der Magier ein Mädchen als Tribut. In diesem Jahr trifft es – wie nicht anders zu erwarten – Agnieska. Nicht, weil der Drache sie sich ausgesucht hätte, sondern weil sie selbst magiebegabt ist und er sie unterweisen muss. Aber nicht nur der Wald ist eine ständig drohende Gefahr. Es herrscht ein fortwährender Krieg mit dem Nachbarland und bei Hofe schenken sich die Adligen in ihren Intrigenspielen nichts. Agnieszka, die sehr naturverbunden ist und intuitive Magie ausübt, kommt dabei immer mal wieder unter die Räder. So ist es für die ein Mehrfrontenkampf gegen das Übel im Wald, die feindlichen Nachbarskrieger und die eigene hohe Gesellschaft.

Der sagenbasierte Gruseleffekt durch den mystischen Wald und die Hintergrundgeschichte zum Übel müsst ihr selbst erleben.

Gedanken beim Lesen

Diese Kritik hat nur am Rande etwas mit meinem Gesamturteil über das Buch zu tun. Es sind spontane Emotionen und Eindrücke.

Wie oben schon erwähnt, ist Agnieszka ein Dreckspatz. Sie ist ständig dreckig und hat zerrissene Kleidung. Die Autorin wird nicht müde, das immer und immer wieder zu betonen. Aber nicht nur das, sobald ein Charakter auch nur annähernd mit dem Saum in Richtung Dreck schwingt, beschreibt sie, wie der Schmutz sich daran festsetzt. Das ist zwischendurch recht nervig.

Das Verhalten des Drachen ist auch grenzwertig. Ja, er ist sehr alt und wenn man hunderte von Jahren gelebt hat, dann vergisst man wahrscheinlich auf Kleinigkeiten zu achten und wirkt so emotionslos oder rüde. Er ist allerdings über die Maßen grantig und faucht herum, wie ich es einem gelehrten, mächtigen und erfahrenem Mann nicht zuschreiben würde. Es macht seinen Charakter unsympathisch.

Passend und gut gemacht fand ich Agnieszkas natürlichen Zugang zur Magie, der sich an den Stil von Babajaga lehnt. Ich habe mich an der Stelle allerdings gefragt, ob diese Art der Magie tatsächlich so selten sein kann, dass sich niemand daran erinnert, dass es auch anders funktioniert, als durch strikte Formeln und Technik.

Was in einem mittelalterlichen Setting mit einer weiblichen Hauptfigur nicht fehlen darf, ist die Vergewaltigungsszene. Sie kommt aus dem Nicht, macht gar keinen Sinn und hat auch im späteren Verlauf der Geschichte keinen effektiven Bezug mehr dazu. Zwar schafft es der Prinz nicht, sie tatsächlich zu überwältigen und Agnieszka tut etwas Unerwartetes – sie schlägt ihn mit einem Tablett beinahe tot – aber das ganze Intermezzo war wie eine Pflichtschuldigkeit der grausamen, frauenfeindlichen mittelalterlichen Welt gegenüber. Deshalb für alle Autoren, die Burgen und Ritter mögen: Nein, Gewalt gegen Frauen ist kein Must-have in der Geschichte.

Auch die nebenherlaufende Liebesbeziehung zwischen Agnieszka und dem Drachen war künstlich erzeugt und vollkommen unnötig. Nur weil die Heldin unerfahren ist, verwandelt sich ihre Abscheu mit der wachsenden Erfahrung nicht in Liebe. Außerdem erschien mir die Beziehung ab einem gewissen Punkt eher wie bei Onkel und Nichte.

Im Allgemeinen lässt sich Agnieszka, die eine natürliche und friedliebende Natur hat, zu sehr in die kämpferischen Auseinandersetzungen hineinziehen. Ich finde, sie hätte häufiger alternative Lösungen finden müssen. Aber vielleicht ist sie dafür dann doch etwas jung. Im Allgemeinen geht sie an all ihre Aufgaben sehr blauäugig heran.

Résumé

Abgesehen von meinem Fazit, werde ich Punkte vergeben. Das wird allerdings anders aussehen, als üblich. Bei mir gibt es nämlich keine Sterne. Ich vergebe an meine Lektüre Federn und Tintenkleckse. Das Prinzip funktioniert ganz einfach. Für Aspekte, die mir besonders gut gefallen, gibt es eine Feder, für Schnitzer, über die ich nicht hinwegsehen kann, gibt es einen Klecks. So kann es durchaus passieren, dass ein Buch auch mal weder eine Feder noch einen Klecks bekommt.

Die Geschichte bekommt von mir eine Feder für die schauderhaft gruselige Stimmung um und im düsteren Wald.

Eine weitere Feder vergebe ich für die Verflechtungen mit polnischen Sagen. Es gibt dem Ganzen einen eigenen Touch.

Den Klecks gibt es auf die schmutzigen Kleider. Das war mir dann doch etwas viel.

„Das dunkle Herz des Waldes“ ist eine magische, schaurige Geschichte. Von Anfang bis Ende war ich von der Stimmung gefesselt und wollte dem Geheimnis auf den Grund gehen. Sowohl die weiblichen, als auch die männlichen Charaktere haben ihre eigenen Motive und ihren eigenen Handlungsstrang, die gekonnt zusammengefügt werden. Ich hatte Freude beim Lesen.

Für ein typisches Jugendbuch halte ich es aufgrund der düsteren Stimmung und der blutigen Schlachten allerdings nicht.