Handlung: Eine NewYorkerin des späten 19. Jahrhunderts macht sich alleine in den wilden Westen auf, um den Häuptling Sitting Bull zu portraitieren.
Ich habe „Die Frau, die vorausgeht“ geguckt, ohne viel über Caroline Weldon zu wissen. Sie wirkte naiv und von optischen Eindrücken der Realität entrückt, wie man es sich vielleicht bei Künstlerinnen als Klischee vorstellt. An Politik hatte die Filmfigur kein Interesse – im Zug wird kurz die National Indian Defense Association erwähnt, mehr nicht – sie war einfach von den Werken über die indigene Bevölkerung Amerikas in Museen fasziniert und hatte es sich zur Aufgabe gemacht Sitting Bull zu portraitieren. Ihre Sicht auf die Ureinwohner von Amerika schien verklärt und romantisiert. Durch den Tod ihres Mannes von den Fesseln der Gesellschaft befreit – sie wirft vielsagend sein Portrait ins Wasser – reist sie alleine und selbstbewusst wie kaum eine Frau zu dieser Zeit, ins Indianerreservat. Anstoß erregt sie nur, weil sie aufgrund ihrer Herkunft als „liberale NewYorkerin“ gilt, als würden sich alle Frauen zu dieser Zeit in NewYork frei und aufgeschlossen verhalten.
Wirklich gut fand ich die Szenen, in denen klar wird, dass jeder Mensch seine eigenen Motive hat und es nicht simpel die Guten und die Bösen gibt. So fragt die Protagonistin einen Indigenen, der im Zug arbeitet, wie das Reservat ist, als müssten sich alle amerikanischen Ureinwohner kennen. Er antwortet ihr, dass sein Volk mit den Sioux verfeindet war. Wir sehen das Leid der unterdrückten indigenen Völker Nordamerikas, die Massengräber der gefallenen Soldaten, sehen die weißen, mit Bisonknochen übersäten Hügel, werfen einen Blick auf Skalps. Das Bild des Hasses und der Feindschaft wird vielschichtig aufgebaut. Das macht die Darstellung aller Charaktere sehr menschlich. Alles in allem macht es den Film zu einem sehenswerten Streifen, der gewisse Aspekte über Frauenrechte dieser Zeit, Caroline Weldon insbesondere und den Konflikt zwischen unterdrückten Einheimischen und erobernden Siedlern aufzeigt. Das halte ich für wichtig, weil einige dieser Zustände noch immer zutreffen, wenig daran geändert wird und stattdessen ein mythologisches Ideal der Gründung Amerikas für weiße Männer mehr denn je gefeiert wird.
Zu den Fakten:
Meine Recherche ergab, dass Caroline Weldon in der Assoziation längt politisch für die indigene Bevölkerung Nordamerikas tätig war, als sie nach Dakota ging. Demnach war sie politisch engagiert, gebildet und kam mit einem Begriff von den Missständen unter denen die Ureinwohner litten ins Reservat. Sie kam nicht, um zu malen, sondern um zu helfen. Ihr diese feste Entschlossenheit, Bildung und Ziele wegzunehmen, mit Naivität und romantischer Verplantheit zu ersetzen, wird ihr nicht gerecht.
Außerdem war Caroline nicht durch Zufall von einem unliebsamen, einschränkenden Gatten befreit worden. Sie war ordentlich geschieden. Ihr unehelicher Sohn wird im Film gänzlich unterschlagen. Das kann ich verzeihen, da ihr die Mutterschaft viele Konflikte beschert hat, die die Filmhandlung in eine andere Richtung gelenkt hätten, wäre der Sohn im Skript enthalten gewesen. Ihre Scheidung in einen Todesfall umzumünzen halte ich für falsch. Zum einen geht es im Film auch um feministische Ansätze – das gibt der Charakter schließlich her – und es hat erneut Einfluss darauf, wie Caroline dargestellt wird. Es ist nicht ihr eigener Wille, der sie befreit, sondern ein tödlicher Zufall.
Ein großes
Manko des Films ist seine Entfernung von der Realität. Es wird zu sehr
romantisiert, die Beziehung zwischen Sitting Bull und Caroline – die aus
welchen Gründen auch immer in Catherine umbenannt wurde – wird mit Anziehung
zwischen den beiden als Mann und Frau aufgepeppt und Caroline Weldons Charakter
wird extrem weichgespült. Das ist wirklich schade. Wenn ein Film schon den
Anspruch erhebt, sich auf reale Ereignisse zu beziehen, fände ich es
wünschenswert, die Geschichte und Charaktere nicht so heftig zu entfremden,
damit es dem Endkunden besser gefällt. Dadurch wird die Botschaft Missstände
wieder ins Bewusstsein zu bringen und politisch kritisieren zu wollen, ad
absurdem geführt.