Serien Quickie – 3% Staffel 1-4

Altersfreigabe:

Worum geht es?

Das Festland ist nach einer nuklearen Katastrophe ein Ödland. Doch für die hungernden und heruntergekommenen Menschen gibt es eine Chance auf ein besseres Leben. Mit zwanzig Jahren kann jede:r an einem Auswahlverfahren teilnehmen, um sich für die Insel zu qualifizieren. Die Tests sind hart und nur 3% schaffen es. Aber sie werden nie wieder dieselben sein.

Achtung, sensibler Inhalt! Extreme Gewalt, Nötigung, Selbstmord, gewaltvoller Tod.

Welches Genre?

An dieser Stelle möchte ich mich kurz bei all den Leuten bedanken, die Arbeit und Mühe in die Serie gesteckt haben. Unabhängig davon, wie ich die Serie persönlich bewerte, verdienen die künstlerischen Ambitionen Anerkennung. Dankeschön.

Wie ich die Serie finde?

Staffel 1 2016

Ich mag dystopische Welten und so ist es kein Wunder, dass mich 3% auf Anhieb fasziniert hat. Die Idee in einer Art Vorhölle zu leben, nur darauf zu warten zwanzig Jahre alt zu werden, um dann auserwählt zu sein, ist schaurig. Die Charaktere sind erfreulich bunt gemischt und stellen eine realistische Bandbreite an unterschiedlichen Leuten dar. Es ist ihr höchste Ziel zu den Besten der Besten zu gehören, doch bald zeigt sich, die Inselbewohner tragen ihre eigenen Dämonen mit sich. Kein Wunder bei der Art der Tests. Aus so einer Prüfung kann niemand unbeschadet hervorgehen. Und dann sind da auch noch die Rebellen, die sich der Sache verschrieben haben. Doch wer ist der Spion und versucht das Verfahren zu sabotieren? Die Leute von der Sache wollen das Auswahlverfahren beenden und die Insel zerstören, denn wer es nicht schafft, bleibt als Wrack zurück, nur gut um Kinder zu zeugen, die eventuell zu den 3% gehören können. Auf diese Weise bleibt das Inland die hoffnungslose Vorhölle, was den Inselbewohner nur gelegen kommt.
Das Wechselspiel zwischen den Nöten der Festlandbewohner und den Forderungen der Privilegierten ist wirklich gut. Es deckt die tiefsten Abgründe in der Seele der Menschen auf, sowohl der Teilnehmer als auch der Prüfer von der Insel.
Ich mag die unterschiedlichen Vorgeschichten der Charaktere, die zeigen, wie sie an den Punkt in ihrem Leben gekommen sind, an dem wir Zuschauer sie kennenlernen.

Staffel 1 ist ein faszinierendes Spiel zwischen Hoffnung, Neid und dem Bestreben nach Gerechtigkeit in einem Regime, das keine kennt.

Staffel 2 2018

Enthällt Spoiler zur vorhergehenden Staffel. Lies nicht weiter, wenn du Staffel 1 noch nicht gesehen hast und nicht gespoilert werden möchtest.

Michele und Rafael sind beide auf die Insel gelangt. Doch es ist nicht so einfach der Sache treu zu bleiben, wenn es so viel Luxus und Verlockungen gibt. Vor allem wenn Michele ihrem Ziel endlich nahekommt und das Schicksal ihres Bruders enthüllt wird, den sie verzweifelt vermisst.
Währenddessen hat sich die eigensinnige Joana entschlossen auch der Sache beizutreten. Sie und Fernando wollen im Inland etwas ändern. Die Kirchengemeinde auf dem Festland, die von den Inselbewohnern unterstützt wird, predigt, das Verfahren sei das einzig Wichtige im Leben. Dadurch wird der Mythos des Aufstiegs weiter angeheizt und die Hoffnungslosigkeit der Abgelehnten hällt ihre Ödnis wie in einer Zeitschleife gefangen.
Ich liebe die Darstellung der Rückkopplung zwischen Glauben und der Erhaltung des ungerechten Systhems. Besondern schön ist dabei die differenzierte und auf den jeweiligen Charakter zugeschnittene Geschichte. Es spielt keine Rolle, ob jemand Inselbewohner, Inländer oder von der Sache ist, was die persönliche Moral angeht. Es gibt kein Gut oder Böse, sondern prägende Ereignisse, Zufälle und Entscheidungen.
Micheles Entdeckung der wahren Entstehung der Insel unterstreicht noch einmal, wie viel Einfluss der (Irr)glaube auf eine Gesellschaft und das Festhalten an schädlichen Strukturen haben kann.

Staffel 2 ist genauso abgrüdig wie Staffel 1 und geht noch mehr in die Tiefe, was Ursache und Wirkung gesellschaftlicher Strömungen angeht. Ich liebe es.

Staffel 3 2019

Enthällt Spoiler zu den vorhergehenden Staffeln. Lies nicht weiter, wenn du Staffel 1 und 2 noch nicht gesehen hast und nicht gespoilert werden möchtest.

Mit der dritten Staffel habe ich mich zu Beginn schwer getan. Michele hat ihren Bruder wiedergefunden, was ihre Beteiligung an der Sache in Frage stellt, denn sie hat nur mitgemacht, weil sie die Insel für sein Ableben verantwortlich gemacht hat. Dadurch scheint sie ihren Fokus verloren zu haben. Das passte sehr gut und hat mir gefallen. Dass André sich gegen sie wendet, als sie gemeinsam die Wahrheit über die Gründer der Insel erfahren, sich auf die jeweilig untersscheidlichen Seiten stellen, ist auch klasse. Leider wird von seinen Erfahrungen dann wenig aufgearbeitet und es ist für mich nicht wirklich nachvollziehbar, wieso er sich der Insel mit Haut und Haar verschreibt, sich zum Endgegner seiner Schwester macht. Das ist schade. Vielleicht bin ich aber auch zu verwöhnt, was die Motivationsergündung angeht, da die anderen Charaktere nette kleine Zwischensequenzen bekommen, die ihr emotionales Debakel nachfühlbar werden lassen.
Was mich auch hart zwiebelt ist das Ableben von Fernando. Er war ein toller Charakter, der erste der aktiv darüber gesprochen hat, dass eine Alternative und Hoffnung die Chance für das Inland sind und nicht einfach die Zerstörung der Insel.
Michele ist als Betreiberin der Muschel, dem Projekt der dritten Gründerin, die dem Inland ebenfalls eine Chance geben wollte, zu einer Art Heiligen geworden. Sie schwebt ätherisch umher, als wüsste sie, die Geheimnisse der Welt. Es ist so absehbar, dass alles in die Binsen geht. Und ihr Verhalten zeigt früh auf, dass sie sich dem gleichen Irrglauben hingibt wie die Privilegierten. Natürlich veranstalten sie auch für die Muschel ein Verfahren, als die Lebensmittel knapp sind, ein Verfahren, dass genauso ungerecht ist, wie das der Insel. Damit ist die ganze schöne Muschelidee, in der jede:r willkommen ist kaputt.
Das ist eine Reproduktion der Dilemma wie in den vorhergehenden Staffeln, nur mit ein paar frischen Gesichtern. Natürlich zeigt es auch, wie leicht es ist solchen Ideen zu verfallen. Die Absehbarkeit war daran das Hauptproblem für mich, weil es zu Langeweile geführt hat.
Als es zu dem Punkt kam, an dem Wissen über die Gründer geteilt wird und die Entstehung der Sache, fand ich die Staffel wieder gut. Zusammenhänge durch Entscheidungen darzustellen, die daraus resultierenden Handlungen der Betroffenen, das kann die Serie sehr gut. Es ist spannen anzusehen, wie sich der Blick auf einen Charakter ändern kann, je nachdem, welche Entscheidungen er trifft. Sehr deutlich wird es bei Marco. Der ist allerdings auch ein ganz schones Bäumchen wechsel dich.

Staffel 2 hat ebenfalls individuelle und Facettenreiche Charaktere, sowohl altbekannte als auch neu. Der absehbare und damit langweilige Niedergang, hat mir den Anfang erschwert, aber das gibt sich nach ein paar Folgen, weil andere Themen in den Vordergrund rücken.

Staffel 4 2020

Enthällt Spoiler zu den vorhergehenden Staffeln. Lies nicht weiter, wenn du Staffel 1, 2 und 3 noch nicht gesehen hast und nicht gespoilert werden möchtest.

Die finale Staffel weckt, wie wahrscheinlich üblich, Sorge und Hoffnungen. Wie endet eine Serie? Wird sie abgewürgt oder offengelassen?
Zu Beginn stehen unsere Hauptcharaktere, die uns seit der ersten Staffel begleiten, Seite an Seite. Sie sind endlich ein Team und die Muschel ihr Zuhause. Doch sie kommen nicht aus dem Zwang heraus, die Insel zerstören zu wollen. Durchaus nachvollziehbar, nachdem die Muschel ein ständiges Ziel von Sabotage sein kann, solange sie als Konkurrenz angesehen wird. Konkurrenz kann die Insel nicht gebrauchen, denn dann könnte irgendwann das Verfahren nicht mehr das Ziel im Leben der Inländer sein.
Während Michele auf dem Festland bleibt, werden die anderen zu Verhandlungen auf die Insel geholt. Doch es sind wieder Machtspielchen, vornehmlich von Micheles Bruder André, der nach Marcelas Sturz die Kontrolle über das Verfahren erlangen will. Wie kann der Mythos oder die Muschel selbst zu Fall gebracht werden? Wer ist schneller, die Rebellen oder die Privilegierten.
Glória ist eine naive Nervensäge und steht Marco als Fähnlein im Wind in nichts nach. Ihre Handlungen wirken allerdings etwas kostruiert, um die Entwicklung der Geschichte schneller zum Ziel führen zu können.


Der Test der Gründer, um herauszufinden, wer das Schicksal des Festlandes bestimmt, gefällt mir gut, aber wird dann in seinen Folgen doch recht flott abgehandelt.

Staffel 4 ist eine wunderbare Inszenierung der Mühlsteine von Hass und Gewalt. Nichts bleibt zwischen ihnen unbeschadet. Auch wenn der Schluss etwas schnell und recht kitschig daher kommt, ist es ein würdiger Abschluss.

Fazit

3% ist eine großartige postapokalyptische Serie.
Besonders gelungen ist die selbstverständliche Diversität der Charaktere. Sie sind individuell und natürlich bunt.
Die Wirkung von Ideologien und Überzeugungen in dystopischer höchstform. Ich kann die Serie sehr empfehlen.

Information: Die Serie ist nicht übersetzt. Sie hat einen deutschen Untertitel.

3% 2016 – 2020