Buchrezension – Circe

Circe von Madeline Miller

Klappentext:

Circe ist Tochter des mächtigen Sonnengotts Helios und der Nymphe Perse, doch sie ist ganz anders als ihre göttlichen Geschwister. Ihre Stimme klingt wie die einer Sterblichen, sie hat einen schwierigen Charakter und ein unabhängiges Temperament; sie ist empfänglich für das Leid der Menschen und fühlt sich in deren Gesellschaft wohler als bei den Göttern. Als sie wegen dieser Eigenschaften auf eine einsame Insel verbannt wird, kämpft sie alleine weiter. Sie studiert die Magie der Pflanzen, lernt wilde Tiere zu zähmen und wird zu einer mächtigen Zauberin. Vor allem aber ist Circe eine leidenschaftliche Frau: Liebe, Freundschaft, Rivalität, Angst, Zorn und Sehnsucht begleiten sie, als sie Daidalos, dem Minotauros, dem Ungeheuer Scylla, der tragischen Medea, dem klugen Odysseus und schließlich auch der geheimnisvollen Penelope begegnet. Am Ende muss sie sich als Magierin, liebende Frau und Mutter ein für alle Mal entscheiden, ob sie zu den Göttern gehören will, von denen sie abstammt, oder zu den Menschen – die sie lieben gelernt hat.

Genre:

Achtung, sensibler Inhalt! Extreme Gewalt, Nötigung, sexuelle Gewalt, Gefangenschaft, Folter.

An dieser Stelle möchte ich mich kurz bei all den Leuten bedanken, die Arbeit und Mühe in das Buch gesteckt haben. Unabhängig davon, wie ich das Buch persönlich bewerte, verdienen die künstlerischen Ambitionen Anerkennung. Dankeschön.

Cover

Da ich zu den Coverkäufern zähle, beschäftige ich mich auch mit der Frage, ob mich Cover ansprechen würden und zum Kauf verleiten.

Das Cover ist simpel, aber hübsch. Die Gestaltung des Frauengesichts hat altgriechischen Flair und vermittelt so den passenden Eindruck, dass es um griechische Mythologie geht.

In der richtigen Stimmung spricht es mich durchaus an. Zu meinem üblichen Beuteschema passt es nicht, aber soll es ja auch nicht.

Zum Inhalt passt es halbwegs, abgesehen davon, dass es keinen Hinweis auf die massive Gewalt in der Geschichte vermittelt.

Inhalt

Circe ist halb Nymphe halb Gottheit. Sie ist unsterblich und wächst zwischen Unsterblichen auf. Da sie sich vor allem durch ihre menschliche Stimme von den anderen unterscheidet, erfährt sie ihr Leben lang Ablehnung. Weil sie, wie ihre Geschwister, über magische Kräfte verfügt, die den Göttern unbekannt und unheilich sind, wird die auf eine Insel verbannt. Dort stranden immer wieder Menschen, teilweise berühmte Personen aus der Geschichte wie Odysseus. Wie in der Menschenwelt üblich entspinnen sich Geschichten über die Zauberin von der Insel Aiaia, die meist kaum dem entsprechen, was Circe wirklich erlebt und macht. Götter mischen sich ständig in ihre Angelegenheiten ein und wollen ihr Schicksal und das ihres Sohnes bestimmen.

Perspektive

Personaler Erzähler aus der Sicht von Circe.

Erste Person, Präteritum.

Gedanken beim Lesen

Diese Kritik hat nur am Rande etwas mit meinem Gesamturteil über das Buch zu tun. Es sind spontane Emotionen und Eindrücke.

Ich habe das Buch in Englisch gelesen, da ich es falsch bestellt habe. Erstaunlicher Weise ging das flüssig. Es lässt sich auch in Englisch gut verstehen.

Es ist spannend die Geschichte einer bekannten Sagengestalt wie Circe aus ihrer Sicht zu lesen. In den Mythen kommt sie, wie viele der dämonisierten Verführerinnen, nicht gut weg. Auch die Verknüpfungen mit Helden, Göttern und bekannten historischen Figuren ist gut gelungen und macht beim Lesen Freude. Das setzt allerdings eine gewisse Kenntnis ihrer Sage voraus, da die Anspielungen und Verbindungen sonst wie Insider gelesen werden, die man nicht versteht.

Es ist wirklich schwer abgesehen von Circe jemanden zu mögen oder auch nur Verständnis für die Charaktere aufzubringen. Das ließe sich natürlich damit begründen, dass wir als sterbliche Lesende keinen Zugang zur Welt der Götter haben und sie demnach auch nicht verstehen, doch da die Verhaltensweisen der Götter zutiefst menschlich sind, kann ich so einer Überlegung nicht zustimmen. Die Unsterblichen sind machthungrig, eitel, sadistisch. Die Geschichte dreht sich ununterbrochen darum, wer wen quält und welche Gemeinheit ersinnt, um wen anderen zu unterdrücken oder zu erniedrigen. Vor allem Circe, aus deren Sicht wir die Erzählung erleben.

Der Weltenbau ist stabil und unspektakulär. Es ist unsere Welt, in der Antike mit Fabelwesen. Die Beschreibungen sind solide, weder besonders hinreißend, noch lückenhaft.

Wir bewegen uns von einer Qual zur Nächsten, wälzen uns gefühlt in den menschlichen Abgründen, obwohl wir eigentlich Unsterbliche beobachten. Das fand ich vor allem in der ersten Hälfte grenzwertig. Mehrfach habe ich darüber nachgedacht das Buch abzubrechen, weil es schwer erträglich war. Als sie Circe verbannen und sie endlich auf Aiaia ihre Ruhe hat, war ich so froh. Leider kommt dann Hermes angetrabt und nervt, ebenso wie andere. Nach der kurzen Verschnaufpause kommt noch eine lange Kette an Tiefpunkten.

Besonders schön finde ich die Bedeutung der Geschichte aus ihrer Sicht, wie sich die Darstellung verschiebt, was die Bewertung ihrer Handlungen angeht. Wieso hat sie Scylla erschaffen? Wie fühlt sie sich dabei? Wie stand sie zu Odysseus? Und vor allem, wie kam es dazu, dass sie Männer in Schweine verwandelte und sie aß? Sonst nur als dämonische Kreatur verachtet, die das Verderben der Menschen genießt, ist sie eine vielschichte Frau, deren Lebenserfahrungen ihre Entscheidungen nachvollziehbar werden lassen. Sie erträgt nicht, was ihr aufgebürdet wird, sie zieht Konsequenzen und bleibt dabei den Menschen verbunden.

Das Ende war dazu ein starker Kontrast, hat mich beinahe mit dem Leiden davor versöhnt, aber nur fast.

Résumé

Abgesehen von meinem Fazit, werde ich Punkte vergeben. Das wird allerdings anders aussehen, als üblich. Bei mir gibt es nämlich keine Sterne. Ich vergebe an meine Lektüre Federn und Tintenkleckse. Das Prinzip funktioniert ganz einfach. Für Aspekte, die mir besonders gut gefallen, gibt es eine Feder, für Schnitzer, über die ich nicht hinwegsehen kann, gibt es einen Klecks. So kann es durchaus passieren, dass ein Buch auch mal weder eine Feder noch einen Klecks bekommt.

Circes Geschichte aus ihrer Sicht, die Verschiebung der Betrachtung ihrer Figur im Kontext, hat mir sehr gut gefallen.

Die Dauerbeschallung von Qual und Leid war mir zu intensiv.

Fazit:

Ein schwer verdauliches Epos, für das Lesende Ausdauer brauchen, wenn es um die Darstellung von Gewalt geht. Es hat aber auch Charme, besonders für Liebhaber der griechischen Mythologie und Freunde von Perspektivanalysen. Das Ende ist eine Erlösung.

Weitere Meinungen zu „Circe“ findet ihr bei:
Zwischen den Zeilen
Literaturreich
Bellas Wonderworld

„Circe“ las ich im Zusammenhang mit der Nornennetzchallenge zum Schuber #HiddenFantastik im April. Hier der Link zu den Kurzmeinungen einiger Nornen.

Im März haben wir gemeinsam „Kassandra“ gelesen. Die Rezension dazu, findest du hier.

„Ich bin Gideon“ ist das Buch für den Mai. Rezension folgt.

Worum es bei dem Schuber geht, welche Bücher wir in diesem Jahr lesen und bei welcher Challenge du mitmachen kannst, erfährst du hier.

Wenn du dir den Schuber #HiddenPowers vom letzten Jahr ansehen möchtest, „Ronja Räubertochter“ war das Buch im März. Über den Beitrag kommst du auch auf die Übersichtsseite.